Eine neue Erntekrone für die Versöhnungskirche
Wer am Mittwoch, dem 17. September nachmittags zufällig am Hof von Familie Südmeyer vorbeikam, konnte auf der großen Deele ein reges Schaffen beobachten. Dort wurde von einigen Landfrauen, ehemaligen Presbyterinnen und Freundinnen eine neue Erntekrone für die Werster Kirche gebunden. Neun Frauen waren am Start, und Ilse hatte noch ihren Mann mitgebracht. Friedrich war schnell unser „Chef“, denn er wusste, wie die große Krone gebunden werden musste.
Schon einige Zeit vor der Ernte mit dem Mähdrescher hatten die Landfrauen die verschiedenen Sorten Korn geschnitten und zum Trocknen gehängt. Traditionell benutzt man zum Binden vier Sorten: Roggen, Weizen, Hafer und Gerste. Bei uns kam noch eine fünfte zum Einsatz; Triticale - eine Kreuzung von Weizen und Roggen.
Das vorhandene Gestell für die Krone stand bereit, das Getreide lag in großen Haufen in der Deele aus. Und dann ging es los: die langen Ähren wurden in artgleiche Bündel sortiert und gekürzt. Die fünf Sorten lagen bald auf den Tischen zur Weiterverarbeitung, denn es mussten zunächst viele kleine Sträußchen mit jeweils einem Halm von jeder Getreideart gebunden und auf 10 cm Länge geschnitten werden. Dazu wurde Bindfaden, bzw. dünner Kupferdraht auf Länge geschnitten. Als eine erste nennenswerte Menge Sträuße fertig war, begannen Friedrich und Christel an zwei gegenüber liegenden „Armen“ mit dem Binden der Krone. Man fängt am oberen Scheitelpunkt an, bindet zuerst die vier Arme und zum Schluss den unteren Kranz. Doch bis zur Fertigstellung sollte es einige Stunden dauern. Immer wieder wurde Nachschub an Ährensträußen geordert, drei Rollen Bindfaden waren inzwischen verbraucht und wir wechselten zu Bindedraht. Es wurde zeitweise so emsig gearbeitet, dass man nur das Knistern des Strohs hören konnte.
Als Ursel uns zu Kaffee, Kuchen und Torte in ihre große Küche rief, kam uns die Pause ganz gelegen. Das Sträuße- und Krone-binden ging danach noch mal so gut und es wurde beim Arbeiten lebhaft erzählt und gelacht.
Nach und nach wurden die vier Arme fertig – die Krone nahm Gestalt an und wurde schon mal entsprechend bewundert. Dann kam der Augenblick, wo sie zum Binden des unteren Teils vom Tisch gehoben und aufgehängt werden musste – und zwar an einer Holzlatte, die quer über zwei Leitern gelegt wurde. Upps, die Latte bog sich Besorgnis erregend von dem Gewicht der Erntekrone, eine zweite Latte musste zur Verstärkung her. Doch es brauchte Zeit, bis auch der untere Teil, der Kranz, fertig wurde. Immer öfter war zu hören: „Wie weit seid ihr? - Wie viele Sträuße braucht ihr noch?“ Denn die Getreidehaufen in der Deele waren klein geworden und die zweite Rolle Bindedraht ging auch dem Ende zu, von unseren Kräften mal ganz zu schweigen. Inzwischen waren immerhin fünf Stunden vergangen und draußen dämmerte es schon. Doch dann hörten wir Friedrich sagen: „noch drei, vier oder fünf Sträußchen“ . . . fertig!
Da hing sie nun - zwischen den beiden Leitern: zwar noch ohne ihre bunten Bänder, aber ansonsten: ein aus mehreren hundert (oder tausend?) kleinen Ährensträußen gebundenes Prachtstück. Doch bevor wir uns zum „Gruppenbild mit Erntekrone“ zusammenfanden, wurde nochmal in die Hände gespuckt und mit Besen, Rechen, Forke und Schubkarre – und den verbliebenen letzten Kräften – die Deele vom Stroh befreit und aufgeräumt.
Glücklich und zufrieden, und vielleicht auch ein bisschen müde versammelten wir uns dann zum Erinnerungsfoto um unser „Prachtstück“! Wir freuten uns auf das Erntedankfest – zum Beginn des Gottesdienstes würden wir gemeinsam die fertig geschmückte Krone feierlich in die Kirche bringen und aufhängen, so war es geplant.
Ob sie wohl wieder sechzehn Jahre aushält, wie die vorige? Das fragen sich:
Ursel, Christel, Edelgard, Marianne, Annegret, Vera, Uschi, Giesela, Ilse und Friedrich
geschrieben von Giesela Reichelt
Die Erntekrone - mehr als eine herbstliche Dekoration
Die Erntekrone ist ein altes Symbol des Dankes für die eingebrachte Ernte. Der Dank richtet sich gleichermaßen an die Landwirte für die getane Arbeit, als auch an Gott, für das tägliche Brot und für seinen Segen. Den Brauch, Erntekronen aufzuhängen, gibt es bereits seit 1865. Sie wurden von den Landfrauen gebunden – zunächst für ihre Gutsherrschaft, doch schon bald auch für die Kirchen. Eine kirchliche Segnung und ein Erntedanklied gehörten zur Übergabezeremonie. Nach der Kirche wurde gemeinsam gegessen und dann ging die Feier meist in fröhlichen Tanz über.
Bis heute ist es nicht nur in ländlichen Gemeinden üblich, die Kirche zum Erntedankfest mit Früchten und Gemüse aus dem Garten, und mit einer Ährenkrone mit bunten Bändern zu schmücken. Obwohl Werste heute kein typisches Bauerndorf mehr ist, pflegen wir diesen Brauch.
Unsere Erntekrone besteht aus vier ARMEN, die auf einem KRANZ befestigt sind. Sie gilt als ein Symbol der Macht: die vielen zusammen gebundenen Ähren sollen uns daran erinnern, wie sehr wir mit der Natur verbunden sind, ja wie abhängig wir von ihr sind.
Die vier Arme der Erntekrone haben folgende Bedeutung: HOFFNUNG - auf eine gute Ernte, SORGE – um eine gute Ernte, GLAUBE – des Bauern an seine Arbeit, DANK – für eine gute Ernte. Der Kranz, auf dem die Arme befestigt sind, hat keinen Anfang und kein Ende und symbolisiert die EWIGKEIT.
Auch die bunten Bänder, mit denen die Erntekrone geschmückt ist, haben ihre Bedeutung:
GELB steht für die Sonne und das Getreide, GRÜN für die Natur, die Blätter und die Landwirtschaft, ROT für reife Früchte und für den Mohn im Feld, BLAU steht für den Himmel, das Wasser (Regen) und die Kornblumen und WEISS für die Bitte um Gottes Segen. Die Bänder in der Mitte sollen an den Klöppel einer Kirchenglocke erinnern, die zum Erntedankgottesdienst ruft. Die Erntekrone bleibt bis zum Ende des Kirchenjahres in der Kirche hängen.
Danke Herr für Korn und Brot, danke dass Du hast es uns gegeben,
danke, wie du für uns sorgst, danke für das Leben!
Giesela Reichelt
Quelle: die Angaben zur Bedeutung der Krone und der Bänder sind dem Mindener Landfrauenkalender entnommen.